Likrat Schabbat
Likrat Schabbat, mit dem ich Sie erreichen möchte, bedeutet «auf zu Schabbat» und bezieht sich auf ein Zitat von Rabbi Chanina, aufgezeichnet im Talmud Bawli (Schabbat 119a) und aufgenommen in unserem Siddur (S. 67):
באו ונצא לקראת שבתה מלכה – «Kommt lasst uns die Königin Schabbat willkommen heissen.» Ich hoffe aus ganzem Herzen, dass Likrat Schabbat Ihnen hilft, sich auf die wöchentliche Begegnung mit Schabbat zu freuen und Schabbat zu einer speziellen, beruhigenden und vielleicht sogar nährenden Zeit zu gestalten.
Rabbiner Ruven Bar Ephraim
Gerne senden wir Ihnen Likrat Schabbat auch per E-Mail zu. Senden Sie eine entsprechende Nachricht an unser Sekretariat
Sidra Ki Tawo, 20. Elul 5785
Toralesung: Dewarim (5BM) 28:1 - 29:8; Haftara: Jeschaja 60, 1-18; 21-22
12.09.2025 18.45 Ma’ariw leSchabbat
13.09.2025 09.30 Simcha leSchabbat
10.00 Schacharit leSchabbat
Liebe durch Züchtigung
Viele Menschen haben Schwierigkeiten mit einem Teil der Sidra dieser Woche, Ki Tawo. Es handelt sich um den Abschnitt, der als Tochecha bezeichnet wird und mit «Züchtigung» oder «Ermahnung» übersetzt werden kann. Es geht hier um eine Warnung, was geschieht, wenn man die Mizwot nicht beachtet. Dreiundfünfzig Verse mit schrecklichen Folgen der Missachtung der Mizwot sollen den Menschen davon abhalten (Dewarim 28, 15–68). Von Krankheiten über Hungersnöte wird sogar Kannibalismus in Aussicht gestellt, mit dem entsetzlichen Höhepunkt, die eigenen Kinder zu essen.
Im Laufe der Jahrhunderte gab es immer Rabbiner, die diesen Text wörtlich genommen haben. So wird vom Chatam (Mosche) Sofer (1762–1839) erzählt, dass er, nachdem bei einem Erdbeben in Zefat Tausende von Menschen ums Leben kamen, ihren Tod als Folge ihrer Eifersucht erklärte. Oder vom israelischen Rabbiner Jizchak Perez (damaliger Innenminister), der den Tod von 19 Schülern und drei Erwachsenen im Jahr 1984 – als ein Zug an einem unbewachten Bahnübergang in einen Schulbus raste – damit erklärte, dass ihr Tod auf defekte Mesusot zurückzuführen sei. Vielleicht hat in früheren Zeiten diese Überzeugung Trost gespendet. Nach der Schoa ist es jedoch unhaltbar zu behaupten, dass die 6 Millionen wegen Eifersucht oder defekter Mesusot ermordet wurden.
Unsere Tradition gibt uns jedoch auch eine andere Möglichkeit, diesen schwer verdaulichen Text zu verstehen. So lesen wir im Zohar (Zohar Chadasch, Ki Tawo 10): «Alle Verheissungen und der Trost Israels sind in diesen Flüchen geschrieben. Bedenke: Wenn ein König seinen Sohn liebt, mag er ihn auch verfluchen und schlagen, dennoch liebt er ihn von ganzem Herzen. So auch, obwohl der Heilige, gelobt sei Er, Flüche ausgesprochen hat, sind seine Worte liebevoll gesagt. Äusserlich erscheinen sie als Flüche, doch in Wirklichkeit sind sie ein grosses Wohlwollen, da diese Flüche in Liebe ausgesprochen wurden». Ob diese Erklärung das Lesen dieser Text einfacher macht, wird wohl nicht von jeder Person bejaht.
Anstatt unseren Kindern die möglichen Ursachen von Tragödien beizubringen, müssen wir betonen, wie jeder von uns darauf reagieren kann. Wir müssen daran arbeiten, Mitgefühl und Verantwortungsbewusstsein zu fördern, anstatt die Herablassung derer, die meinen, den Willen Gottes zu kennen. Schlechten Menschen geschehen gute Dinge und umgekehrt geschieht guten Menschen Schlechtes. Manchmal können wir nichts dagegen tun, und oft ergeben diese Dinge überhaupt keinen Sinn. Und doch gibt es Situationen, in denen wir etwas hätten tun können – und noch immer etwas tun können. In allen Fällen sollte unsere Antwort mehr Mitgefühl, mehr Grosszügigkeit und – wo möglich – mehr Entschlossenheit zu gemeinschaftlicher Verantwortung sein.
Schabbat schalom
Rabbiner Ruven Bar Ephraim