Likrat Schabbat
Likrat Schabbat, mit dem ich Sie erreichen möchte, bedeutet «auf zu Schabbat» und bezieht sich auf ein Zitat von Rabbi Chanina, aufgezeichnet im Talmud Bawli (Schabbat 119a) und aufgenommen in unserem Sidur (S. 67):
באו ונצא לקראת שבתה מלכה – «Kommt lasst uns die Königin Schabbat willkommen heissen.» Ich hoffe aus ganzem Herzen, dass Likrat Schabbat Ihnen hilft, sich auf die wöchentliche Begegnung mit Schabbat zu freuen und Schabbat zu einer speziellen, beruhigenden und vielleicht sogar nährenden Zeit zu gestalten.
Rabbiner Ruven Bar Ephraim
Gerne senden wir Ihnen Likrat Schabbat auch per E-Mail zu. Senden Sie eine entsprechende Nachricht an unser Sekretariat
Sidra Mattot-Masse, Rosch Chodesch Aw, 1. Aw 5785
Toralesung: Bemidbar [4BM] 35, 1 – 36, 13 und Bemidbar 10, 8-10;
Haftara: Jirmeja 2:4 - 28. 3:4 und Jeschaja 66, 23.
25.07.2025 18.45 Ma’ariw leSchabbat
26.07.2025 10.00 Schacharit leSchabbat
In den Jahren, in denen die Sidrot Mattot und Masse gemeinsam gelesen werden, fallen sie in den Zeitraum, der den Beinamen ‘Drei Wochen’ trägt. Auf Hebräisch werden die Drei Wochen ‘Ben HaMezarim’ genannt. Dabei ist ein Mezar ein bedrängter, enger Ort, und der Ausdruck steht für die bedrängte Lage, in der sich das Volk damals (das Jahr 586 v.d.Z.) befand. Es handelt sich um die drei Wochen zwischen dem 17. Tammus und dem 9. Aw. Am 17. Tammus durchbrachen babylonische Truppen im Jahr 586 v.d.Z. die Stadtmauern Jerusalems. Nach drei Wochen Strassenkämpfen war die Eroberung der Stadt vollendet, und die Babylonier zerstörten den Tempel am 9. Aw.
An den drei Schabbatot innerhalb dieser drei Wochen werden spezielle Haftarot (Lesungen aus den Prophetenbüchern) gelesen, die – anders als sonst üblich – keinen Bezug zur Sidra der Woche haben, sondern das herannahende Unheil der Tempelzerstörung und der darauffolgenden Exilierung thematisieren.
Dem gegenüber steht die Tora-Lesung dieser Woche, Mattot-Masse, die sich auf die Einnahme des Gelobten Landes konzentriert und Vorschriften zur Organisation der Gesellschaft gibt. Die Einnahme des Landes geht mit dem Gefühl von Freiheit und Erlösung einher. Die Freiheit, im eigenen Land zu leben, befreit von dem Zustand, ein Gast und Fremder in einem anderen Land zu sein, in dem man nur mit der Gnade des jeweiligen Herrschers existieren darf.
Die Verbindung dieser beiden Themen – Zerstörung und Erlösung – ist zu einem Kernthema der jüdischen Tradition geworden. Ich glaube nicht, dass es eine Zeit in unserer Geschichte gab, in der wir uns nicht irgendwo auf dem Spektrum zwischen diesen beiden Begriffen befanden. Wenn wir Selbstbestimmung geniessen konnten, wie zur Zeit Jirmejas, bestand die Gefahr, von Grossmächten wie Ägypten, Assyrien oder Babylonien erobert zu werden. Nach der Zerstörung des Zweiten Tempels (im Jahr 70 n.d.Z.) wurde die Erlösung zu einem messianischen Ziel, damit man den schwierigen Lebensbedingungen unter fremder Herrschaft und/oder in fremden Ländern begegnen konnte. Verfolgungen, Pogrome und die Schoa liessen den Begriff der Zerstörung immer wieder aktuell werden.
Bis im 19. Jahrhundert die ‘Erlösung’ mit dem Aufkommen des Zionismus wieder eine praktische - das heisst nicht messianische - Bedeutung erhielt – mit dem Ziel, ein jüdisches nationales Heim zu gründen. Dieses Heim sollte das jüdische Volk von der andauernden Zerstörung erlösen.
Das jüdische nationale Heim wurde mit dem Staat Israel im Jahr 1948 Wirklichkeit. Durch diese erlösende Errichtung sollte die tägliche Realität der jüdischen Diaspora – nach dem Einsammeln aller Exilanten – von Tod und Verderben der Vergangenheit angehören.
Trotz der gewaltigen Leistungen der zionistischen Bewegung und später des Staates Israel, in kurzer Zeit eine Gesellschaft durch Innovation und Kreativität aus dem Nichts aufzubauen, ist die Erlösung noch nicht eingetreten. Neben allen Errungenschaften überwiegen das Gefühl und das Bild der Zerstörung – besonders in den letzten 33 Monaten.
Die Haftara dieser Woche, aus dem Buch Jirmeja schreibt die damaligen Probleme des Volkes vor allem dem eigenen Handeln zu. Selbstreflexion ist zwar nicht die Lösung aller Probleme, aber ich bin überzeugt, dass sie ein guter Ausgangspunkt ist, um jede Situation zu analysieren – auch die, in der wir uns jetzt befinden.
Schabbat Schalom,
Rabbiner Ruven Bar Ephraim